Eine Pandemie ist kein Hutzenobnd!
108 Tote, hat uns die letzte Adventswoche vor Weihnachten „beschert“. 1 – 0 8. Einhundertacht Menschen sind in den Nächten vor und an Heiligabend im Erzgebirgskreis am Coronavirus verstorben. Einhundertacht Erzgebirger, die nie wieder eine Bergparade sehen, die nie wieder ein Glühbirnchen am Schwibbogen auswechseln, die nie wieder eine Sauerkrautschüssel vom Neinerlaa auslecken, die nie wieder Raacherkarzln anzünden bevor sie die Geschenke ihrer Liebsten auspacken werden. Viele von ihnen werden vor Neujahr nicht einmal beerdigt werden, weil hiesige Bestattungsunternehmen durch das Leichenaufkommen überlastet sind. Doch genau dieses Ausmaß der Tragödie mag der Mensch wohl nicht begreifen…
Das letzte Mal, dass der Mensch etwas so Tragisches begriffen hat, war wohl an jenem Heiligabend an dem sich der Verdacht, dass gar nicht der Weihnachtsmann für diese Bescherung sorgt und sich hinter dieser Verkleidung, gar nicht Santa sondern Onkel Walter verbirgt, bestätigt hat. Nun ist es höchste Zeit erneut zu begreifen! Zu begreifen, dass die derzeitige Tragödie durch Rücksichtslosigkeit, durch Ignoranz & Arroganz verursacht wurde, dass sie vom Glauben herrührt, der nicht der weihnachtlichen Nächstenliebe entspricht, sondern dem Irrglauben an die eigene Überlegenheit. Und noch dadurch verschlimmert wird, dass die sonst so lustige aber nun nötige Kostümierung mit Mund-Nasenschutz, anstelle der Weihnachtsmütze von zu vielen der Sorte Onkel Walter schlicht für überflüssig gehalten wird…
„Bei uns sterben die Leute nicht wie die Fliegen…“, ließ der Landrat des Erzgebirgskreises Frank Vogel (CDU) Mitte Oktober noch voller Stolz verlauten. „In einigen Kliniken, heißt es, würden von allen Covid-Positiven, die ins Krankenhaus müssen, bis zu 20 Prozent versterben, auf der Intensivstation sogar bis zu 40 Prozent.“, kann man exakt 2 Monate später in der Wochenzeitung die ZEIT über die Situation in erzgebirgischen Kliniken nachlesen. Es fallen die Worte Bergamo, Belastungsgrenze und Triage…
Über die Zumutungen, die Krankenhausmitarbeiter*innen tagtäglich ausgesetzt sind, hört man mittlerweile: „Patienten sterben zu sehen, wie sie in spezielle Leichensäcke gepackt werden, damit die Bestatter sie überhaupt abholen –, das belastet das Personal extrem.“. Solche Schrecklichkeiten scheinen einige nicht zu beeindrucken oder gar zum Begreifen zu bewegen. So betritt der Bürgermeister von Großrückerswalde, Jörg Stephan (CDU), letzte Woche eine Klinik ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung und verweigert das Aufsetzen auch nach Aufforderung. Der Klinikleiter zeigt ihn wegen Verstoßes gegen die Corona-Regeln an und verweist auf sein komplett verantwortungsloses Verhalten, zumal in seiner Vorbildrolle in dieser akut chaotischen Lage.5 Ein Mitglied aus unseren Reihen der LINKEN reichte zusätzlich eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Bürgermeister ein. Wir machen damit deutlich: wir stehen uneingeschränkt an der Seite des Klinikpersonals und befürworten solch Rückgrat! Wir unterstützen jene Arbeit, die versucht die Gesundheit aller Erzgebirger*innen zu schützen.
Exakt diesen Handlungswillen und diese Konsequenz erwarten und fordern wir nun endlich auch vom Landratsamt. Es ist inakzeptabel, wenn das Versprechen die Durchsetzung der Maßnahmen zu
kontrollieren, welches der Landrat in der PK vom 16.12.2020 gegeben hat, weiterhin nicht umgesetzt wird. Das leidliche Lamentieren darüber, dass man keine Möglichkeiten habe, muss sofort aufhören! Wir können als Verwaltung schreiben, was wir wollen, es muss aber gelebt werden, sagte Vogel kürzlich dem MDR.
Wir kontern darauf und sagen: wo ein Wille, da ein Weg. Der erste Schritt heißt Vorbild sein, der zweite Schritt heißt solidarisch zeigen und der dritte Schritt heißt überall, wo es möglich ist Kontrollen auch durchzuführen! Schritt Nummer Vier muss die Beendigung der bisher schleierhaften Informationspolitik bezüglich der aktuellen Corona-Infektionszahlen sein! Das Erzgebirge ist der einzige Landkreis, der diese Daten nicht freiwillig zur Verfügung stellen wollte, Bürgermeister erfuhren erst durch die Freie Presse von den Zahlen in den eigenen Gemeinden. Das Motto „Wo keine Zahlen, da kein nachvollziehbares Infektionsgeschehen.“ grenzt mit der Begründung, es gebe keine Rechtgrundlage, die Daten bekannt geben zu müssen, an eine Frechheit8. Es erweckte den Anschein, man wolle die 7‑Tages-Inzidenzen die z.T. Werte über 1000 (!) übersteigen, wie das klassische Sockengeschenk behandeln – lieber vertuschen und schnellstens wieder wegpacken oder gar weiterverschenken. Ähnlich, wie es mit jenen sächsischen Patienten gemacht wird, die wegen der Eskalation auf Intensivstationen in andere Bundesländer verlegt werden müssen!
Zur Erinnerung: ein politisches Amt bedeutet nicht nur Prestige, es dient nicht dazu sich bei der Bergparade im kommenden Jahr den besten Sichtplatz zu sichern. Ein politisches Amt bedeutet Verantwortung, es dient dazu sie in Zeiten der Krise auch zu übernehmen! Eine Pandemie ist kein Hutzenobnd, bei dem es nicht darauf ankommt, dass man glühweinaromatisierte Zusagen wirklich einhält. Wir appellieren an jene und an jeden Einzelnen: Seid vernünftig und bedenkt, dass hinter jedem Toten ein Anderer steht, der um diesen trauert. Begreift das endlich!
Anna Wetzel, Kreisvorstandsmitglied Die LINKE. Erzgebirge
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